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Serie «Teilzeitarbeit in der Baubranche: So gelingt’s!» Teil 3, 14.12.2022
14.12.2022Serie «Teilzeitarbeit in der Baubranche: So gelingt’s!» Teil 3 , Chantal Beyeler ist Organisationsberaterin beim Büro a&o

«Etwas Neues ausprobieren» - Arbeitspsychologische Tipps zu Teilzeitarbeit in der Baubranche

Die Organisationsberaterin Chantal Beyeler gab im letzten Workshop von Werkplatz Égalité arbeitspsychologische Tipps zu Teilzeitarbeit in Bauberufen. Im Interview erzählt sie, welche Führung es braucht, welche Teilzeitmodelle es gibt und wie Teilzeit-Mitarbeitende ihre finanziellen Risiken abfedern können.

Im Workshop hast du gesagt, dass es eine gute Führung braucht, damit Teilzeitarbeit in einem Team gelingt. Worauf kommt es denn an?

Führungskräfte sollten mit ihren Mitarbeitenden regelmässig in Kontakt stehen und ihre Bedürfnisse kennen. Es braucht also einen bedürfnisorientierten und situationsgerechten Führungsstil.

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Chantal Beyeler im Gespräch mit Teilnehmenden des Workshops «Teilzeitarbeit in Bauberufen» am 17. November 2022. Foto: Rebeca Nacht, KBB.

Führungskräfte sollten Mitarbeitende in verschiedenen Lebensphasen begleiten und Verständnis für ihre Lebenssituation zeigen. Sie sollten bereit und offen sein, mit Mitarbeitenden individuelle Lösungen zu suchen. Gleichzeitig ist es wichtig, Erwartungen und Grenzen klar mitzuteilen und zu begründen. Es muss nicht immer alles möglich sein.

Können individuellen Lösungen nicht zu Unmut im Team führen?

Grundsätzlich schon. Daher ist es ganz wichtig, dass die Teamleitung individuelle Lösungen begründet und dass im Team offen diskutiert werden darf. Als Führungskraft bleibst du im Spannungsfeld zwischen der Gleichbehandlung aller und individuellen Lösungen für einzelne – das musst du aushalten können. Wichtig ist es, Rückmeldungen aus dem Team aktiv einzuholen und das Team bei der Suche nach Lösungen zu unterstützen.

«Als Führungskraft musst du das Spannungsfeld zwischen Gleichbehandlung und individuellen Lösungen aushalten können.»

Hast du Tipps zum Einführen von Teilzeitarbeit in der Baubranche?

Ein Modell suchen, dass auf die Situation und zum Betrieb passt. Es gibt sehr vielfältige Teilzeitmodelle, je nachdem, welche Bedürfnisse im Vordergrund stehen und was im täglichen Betrieb möglich ist.

Führungskräfte sollten auch den Mut haben, einmal etwas Neues auszuprobieren. Und wenn Schwierigkeiten auftauchen, sollten sie nicht sofort aufgeben oder dem Teilzeitmodell die Schuld zuweisen, sondern gemeinsam mit dem Team nach Lösungen suchen.

Was muss im Team passieren?

Im Team ist eine offene Kultur wichtig, die Teammitglieder sollten gegenseitig ihre Erwartungen klären. Und offen bleiben, die Dinge auch mal anders zu machen als in der Vergangenheit. Z.B. ein Briefing erst vor Ort zu machen, statt sich vorher zu versammeln und miteinander auf die Baustelle zu gehen.

«Das Team muss offen dafür sein, die Dinge auch mal anders zu machen als in der Vergangenheit.»

Worauf gilt es bei der Kommunikation zu achten?

Intern sollte die Unternehmensleitung klar kommunizieren, warum es Teilzeitlösungen braucht – z.B. um genügend Fachkräfte zu finden, verschiedene Lebensmodelle zu ermöglichen oder die Gesundheit zu erhalten. So kommt ein Betrieb weg von der Haltung, dass nur Vollzeitarbeit richtige Arbeit ist.

Und gegenüber der Kundschaft?

Da rate ich, möglichst früh – z.B. bei der Begehung – die Erwartungen der Kundschaft abzuholen und die Erreichbarkeiten festzulegen.

Bei Teilzeit denken die meisten daran, dass jemand jede Woche an den gleichen Tagen frei hat. Im Workshop hast du aber aufgezeigt, dass es ganz verschiedene Teilzeitmodelle gibt. Welche Optionen gibt es denn?

Man sollte bei Teilzeit nicht nur die Woche in den Blick nehmen, sondern auch auf der Tages-, Monats- oder gar Jahresebene denken. Zum Beispiel kann eine Teilzeitmitarbeiterin jeden Tag sechs Stunden arbeiten. Ein anderer Teilzeitmitarbeiter hat hingegen jeden Monat eine Woche frei. Und eine dritte Person arbeitet einen Grossteil des Jahres voll, hat dann aber drei Monate am Stück frei. Es kommt wirklich darauf an, aus welchem Grund jemand Teilzeit arbeiten möchte.

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Im Workshop zusammengetragene Überlegungen zu den Fragen «Welches Teilzeitmodell passt zu uns? Und wie setzen wir es um?» Foto: Rebeca Nacht, KBB.

Im Workshop haben wir mehrfach gehört, dass die häufigeren Arbeitsübergaben auf dem Bau eine Herausforderung sind. Hast du Tipps, wie sie gut gelingen?

Wie Priska Maeder im ersten Teil der Blog-Serie bereits gesagt hat, sind Sprachnachrichten, Fotos und Videos mit dem Mobiltelefon sehr interessante Optionen. Das ist einfach, schnell, anschaulich, unabhängiger von Sprachen und für alle möglich.

«Sprachnachrichten und Videos sind interessante Optionen für die Arbeitsübergabe.»

Eine weitere Möglichkeit ist es, die eigene Ablösung am Abend anzurufen, bevor sie am nächsten Tag auf die Baustelle kommt. Aber das geht nur, wenn es für diese Person in Ordnung ist, am Abend des freien Tages gebrieft zu werden. Die Teammitglieder sollten auch hier vorher ihre Erwartungen untereinander klären.

Für Mitarbeitende hat Teilzeitarbeit finanzielle Konsequenzen. Was gibt es zu beachten?

Ja, das stimmt. Bei Teilzeit verdient man weniger als bei Vollzeit. Deshalb empfehle ich Personen, zuerst eine Budgetberatung zu machen, bevor sie auf Teilzeit wechseln. So können alle wichtigen Fragen geklärt werden: Wie viel Einkommen brauche ich? Welche Prioritäten habe ich im Leben? Wie ist die finanzielle Situation meiner Partnerin oder meines Partners? Und wie viel kann ich bei den Steuern einsparen?

Ein grosses Problem bleibt die Altersvorsorge. Diesbezüglich sollten Arbeitnehmende die Regeln in der beruflichen Vorsorge (Pensionskasse) abklären, z.B. ob der Koordinationsabzug an das Pensum angepasst wird.

«In manchen Bauberufen können Arbeitsnehmende im Vorruhestand ihr Pensum reduzieren.»

In manchen Bauberufen – dem Maler- und Gipsergewerbe sowie dem Gebäudehüllengewerbe – gibt es zudem ein Vorruhestandsmodell, bei dem Arbeitnehmende fünf Jahre vor der Pensionierung ihr Pensum reduzieren und mit einer Überbrückungsrente in den teilweisen Vorruhestand übertreten können. Solche Modelle ermöglichen Teilzeit im fortgeschrittenen Alter und federn die finanziellen Einbussen ab.

Im ersten Interview der Blog-Serie haben Priska Maeder und Christoph Tanner davon gesprochen, dass Teilzeitarbeit vor allem ein Bedürfnis der jüngeren Generationen ist. Stimmt das so?

Aus meiner Erfahrung ist das Bedürfnis, Teilzeit zu arbeiten, in allen Generationen vorhanden. Das Pensum zu reduzieren ist z.B. auch ein grosses Bedürfnis bei Mitarbeitenden im fortgeschrittenen Alter, insbesondere in stark belasteten Berufen. Es gibt einfach unterschiedliche Bedürfnisse, die zum Wunsch nach Teilzeitarbeit führen. Denen gilt es gerecht zu werden – in allen Generationen.

Lust auf mehr Teilzeit? Hier geht’s zum Rest der Serie: