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Serie «Teilzeitarbeit in der Baubranche: So gelingt’s!» Teil 2, 14.12.2022
14.12.2022Serie «Teilzeitarbeit in der Baubranche: So gelingt’s!» Teil 2 , Bruno Kohler, Geschäftsinhaber Banholzer Bau AG

«Wir sind keine Schreiberlinge» - Clevere Lösungen und eine fette Knacknuss aus dem Bauhauptgewerbe

Bruno Kohler ist Geschäftsinhaber der Banholzer Bau AG. Das Unternehmen mit rund 40 Fachleuten und aktuell acht parallellaufenden Baustellen ist im Tief- und Strassenbau tätig. Die Banholzer Bau AG ist im «schönsten», aber eben auch in einem abgelegenen, Talabschluss im Berner Oberland – an der Lenk – zuhause. Bruno ist angewiesen auf Fachkräfte und hat mit den lokalen Landwirten eine clevere Win-win-Lösung gefunden. Auch am 17. November 2022, dem Anlass von «Werkplatz Égalité en route», zeigt sich Bruno experimentierfreudig. Nebst einer eigenen Teilzeitlösung, die er den Praktiker:innen aus dem Bauhauptgewerbe erläutert, wirft er uns allen auch eine fette Nuss zum Knacken vor…

Bruno, du bietest aktuell fünf Fachmännern Teilzeitlösungen an. Und das im Bauhauptgewerbe. Erzähle bitte von deinem Berner Oberländer Teilzeitmodell!

Bruno: Unsere Firma liegt in einem abgeschlossenen Tal mit wenig Fachkräften. Mein Problem: Es ist nicht attraktiv, an die Lenk arbeiten zu kommen. Ich habe folglich keine Möglichkeit, auf Fachkräfte zurückzugreifen, nicht einmal auf temporäre Arbeiter. Wir spüren den Fachkräftemangel in diesem Seitental stark. Also habe ich mir etwas überlegen müssen und gemerkt: Es gibt zwar wenig ausgebildete Strassenbauer hier oben. Aber es gibt Handwerker mit Topausbildung und Praxiserfahrung: nämlich Landwirte!

Was sind die Vor- und Nachteile deiner Lösung mit Teilzeitmitarbeitern?

Bruno: Mit den Bauern habe ich eine super Lösung gefunden. Sie sind bei mir festangestellt, arbeiten Teilzeit und haben vertraglich vereinbart eine schwankende Arbeitszeit je nach Saison. Ich bin auf Teilzeit bzw. diese Fachleute angewiesen, um unsere Projekte zu realisieren. Mit den Bauern funktioniert das gut, weil sie im Winter (wenn wir wenig Arbeit haben), in den Wäldern arbeiten. Gleichzeitig ist der Sommer bei ihnen und bei uns Hochsaison. Bei besonderen Herausforderungen, wie Unwetter, Wasserschäden, wo wir ad hoc ausrücken und hoch flexibel sein müssen, ist die Bereitschaft der Bauern, uns zu helfen, sehr gross.

«Wir spüren den Fachkräftemangel in diesem Seitental stark. Also habe ich mir etwas überlegen müssen.»

Wo liegen denn die Herausforderungen bei Teilzeit im Bauhauptgewerbe deiner Erfahrung nach?

Bruno: Ich merke einfach, Teilzeitleute einzusetzen benötigt zusätzliche Planung bei Abwesenheit. Diese sind auf dem Niveau der Bauarbeiter einfacher abzufedern, da der Informationsfluss über die Vorgesetzten nicht unterbrochen wird. Schwieriger wird es aber bei Führungspositionen, wo die Kette unterbrochen wird. Je höher die Stellung der teilzeitarbeitenden Person, desto grösser der Aufwand für Planung und Sicherstellung des Informationsflusses.

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Bruno Kohler präsentiert seine Teilzeitlösung. Foto: Rebeca Nacht, KBB.

Du hast am Workshop nicht nur deine Berner Oberländer Teilzeitlösung mit den Landwirten vorgestellt, sondern auch eine Knacknuss mitgebracht…

Bruno: Ja, einer meiner Poliere kann aus familiären Gründen nur noch Teilzeit arbeiten. Für mich klar, dass ich ihm das anbiete. Ein Polier ist auf der Baustelle allerdings die Person, bei der alle Informationen zusammenkommen. Wenn diese Person fehlt, fehlt ein riesiges Reservoir an Informationen. Für die Übergabe dieser Informationen müssen wir den Polier jetzt einfach zwingen, diese zu Blatt zu bringen (auch wenn natürlich nie alles aufgeschrieben werden kann). Aber unsere Bauleute sind keine Schreiberlinge. Ich wollte deshalb von den Teilnehmenden Bauleuten am Workshop wissen: Wie kann ich Führungskräfte motivieren, Informationen aufzuschreiben und zu lesen? Oder anders gefragt: Wie lässt sich die Arbeitsübergabe auf der Führungsebene optimieren?

«Ich wollte von den teilnehmenden Bauleuten am Workshop wissen: Wie lässt sich die Arbeitsübergabe auf der Führungsebene optimieren?»
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Priska Maeder vom «Projekt Teilzeitbau» sammelt mit weiteren Baufachleuten Erfahrungen und Ideen für Bruno. Foto: Rebeca Nacht, KBB.

Mit welchen Anregungen bist du nach dem Workshop zurück ins Berner Oberland gereist?

Bruno: Ich nehme mir besonders zu Herzen: «eifach mache», offen sein, Führungsstrukturen bilden und oben öffnen. Und wenn wir scheitern, nicht grad aufgeben und sagen, «äbe, has ja gwüsst, dass das nid funktioniert», sondern nochmal anders beginnen. Denselben Fehler wird man nicht noch ein zweites Mal machen.

Weitere Tipps aus dem Workshop fürs Bauhauptgewerbe:

  • Tandem mit Stellvertreter-Polier: Dieser kommt nur bei Abwesenheit des Hauptpoliers zum Einsatz. So kann die Firma zeigen, dass sie Mitarbeitende fördert und Weiterbildung unterstützt
  • Top-Sharing: zwei Poliere in Teilzeit anstellen, die dieselben Baustellen gemeinsam betreuen.
  • Verschiedene Formen der Arbeitsübergabe testen: telefonisch, per Video oder mit Sprachnachrichten. Was gut funktioniert, ist manchmal sehr individuell.
  • Sprachnachrichten automatisch verschriftlichen lassen: Apps wie «Textr», «Transcriber» oder «Audiotext für Whatsapp (iOS)» helfen, sich in der Nachricht rasch zurecht zu finden
  • Proaktive Kommunikation: Mögliche Befürchtungen bei Einführung von Teilzeit vorwegnehmen und ansprechen.
  • Durchhaltewillen: Aufzeigen, was erprobt wird und nicht gleich aufgeben, wenn’s nicht beim ersten Mal klappt.
  • Einbezug des Teams: Lösungen mit den Betroffenen zusammen entwickeln, Team einbeziehen, das schafft Akzeptanz.