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Serie «Job- und Topsharing: Erfolgsmodell für Betriebe und Mitarbeitende», Teil 1, 25.06.2024
25.06.2024Serie «Job- und Topsharing: Erfolgsmodell für Betriebe und Mitarbeitende», Teil 1 , Monica Basler, Co-Geschäftsleiterin, neues marthastift

Topsharing: Führungskultur positiv verändern

Monica Basler leitet das spezialisierte Pflegezentrum für Demenz und psychogeriatrische Erkrankungen neues marthastift mit 110 Bewohnenden und rund 130 Mitarbeitenden in einem Topsharing zusammen mit Yves Ruch. Im Interview erzählt sie, weshalb die beiden das Modell etablieren wollten, welchen Herausforderungen sie bei der Umsetzung begegnet sind und weshalb es sich lohnt, neue Führungsmodelle auszuprobieren. Ausserdem hat sie Tipps für Betriebe, die die Chancen von Job- und Topsharing nutzen möchten.

Monica und Yves
Yves Ruch und Monica Basler, Co-Geschäftsleitung. Bild: neues marthastift

Monica, du teilst seit 2022 die Geschäftsführung im spezialisierten Pflegezentrum neues marthastift mit Yves, der 30 Jahre jünger ist als du. Wie kam es dazu?

Monica Basler: Die Idee des Topsharing war für mich schon länger eine Vision. Schon bevor ich 2018 die Geschäftsleitung übernommen habe, hatte ich den Wunsch, hierarchische Strukturen aufzubrechen und partizipative Führungskulturen zu etablieren. Zudem ist Topsharing eine Möglichkeit, die Führungsarbeit auf mehrere Schultern zu verteilen und damit auch die Belastung zu reduzieren sowie das betriebliche Knowhow zu erweitern. Also habe ich dieses Projekt zusammen mit Yves, der bereits im Betrieb in einer Führungsposition gearbeitet hat, in Angriff genommen.

«Topsharing ist eine Möglichkeit, die Führungsarbeit auf mehrere Schultern zu verteilen und damit auch die Belastung zu reduzieren sowie das betriebliche Knowhow zu erweitern.»

Das tönt nach einem Modell, das sich für das Topsharing-Paar lohnt. Gibt es auch Vorteile für den Betrieb?

Monica Basler: Definitiv. Ich sehe die Vorteile auf zwei Ebenen. Einerseits sind die Offenheit, Verfügbarkeit, Kohärenz und Flexibilität, die mit einem solchen Führungsmodell einhergehen auch unsere Grundwerte in der Pflege und Betreuung der uns anvertrauten Menschen. Die Werte unseres Pflegeleitbildes werden also direkt in unserem Führungsmodell abgebildet. Andererseits ist diese stabile und verlässliche Umgebung, die für die Bewohnenden und ihre Angehörigen wichtig ist, auch für die Mitarbeitenden ein Anker und ein inspirierendes Rollenmodell. Das zeigt sich u.a. an unserer seit einiger Zeit deutlich reduzierten Fluktuationsrate.

Wie ist die Aufgabenverteilung zwischen dir und Yves geregelt?

Monica Basler: Wir haben je einzelne und gemeinsame Zuständigkeitsbereiche, die allen Mitarbeitenden, Angehörigen und Partnern bekannt sind. Trotzdem sind wir beide für alle Aufgaben ansprechbar, gerade wenn jemand von uns nicht da ist. Wichtig ist, dass die Aufgabenteilung für die Mitarbeitenden sowie die Kundinnen und Kunden keinen Mehraufwand wegen diffuser Aufgabenzuständigkeiten generiert und sie immer eine Ansprechperson haben.

Ist die Zusammenarbeit mit deinem Stellenpartner immer harmonisch oder gibt es auch Konflikte?

Monica Basler: Beides. Wir schätzen Harmonie, wir ziehen aus ihr Zuversicht und Energie. Konflikte sind unvermeidbar und gehören sowieso in jeder Führungsposition dazu. Wichtig ist uns, dass wir offen darüber sprechen und keine Angst vor Auseinandersetzungen haben. Wir lassen uns regelmässig coachen. Gegenüber den Mitarbeitenden treten wir manchmal bewusst nicht als eine Stimme auf, um unsere unterschiedlichen Perspektiven zu zeigen und den Mitarbeitenden zu verdeutlichen, dass unterschiedliche Meinungen okay sind, solange man gemeinsam eine Lösung findet.

Monica Basler in Action
Monica Basler am Workshop vom 27.06. Bild: Damian Gunc

Das Topsharing war deine Idee. Wie bist du mit diesem Gedanken im Kopf vorgegangen?

Monica Basler: In einem ersten Schritt ging es darum, wahrzunehmen und anzusprechen, ob ein solches Modell sinnvoll ist – einerseits primär mit Yves aber auch mit anderen Vertrauenspersonen. In einem zweiten Schritt haben wir einen Auftrag zur Prüfung des Vorhabens beim Stiftungsrat eingeholt. Das ist ein Punkt, den ich allen interessierten Personen ans Herz lege: Holt euch bei den Verantwortlichen vorab einen Auftrag, ein solches Modell für den Betrieb zu prüfen, bevor es an die eigentliche Bewilligung für ein Topsharing geht. Nachdem wir in einer SWOT-Analyse die Vorteile, mögliche Risiken und entsprechende Massnahmen festgehalten haben, ging es darum, das Modell vom Stiftungsrat bewilligen zu lassen. Im Anschluss an den positiven Entscheid wurde gezielt kommuniziert, das Modell umgesetzt und seither in zwei Etappen evaluiert.

«Holt euch bei den Verantwortlichen vorab einen Auftrag, ein solches Modell für den Betrieb zu prüfen, bevor es an die eigentliche Bewilligung für ein Topsharing geht.»

Das tönt nach einem ziemlich klaren Vorgehen. Gab es auf diesem Weg auch schwierige Phasen?

Monica Basler: Natürlich, wie bei jeder großen Veränderung gab es auch bei uns Herausforderungen. Im Austausch mit dem Stiftungsrat haben sich, nebst der Offenheit für das Modell, gewisse Bedenken gezeigt (siehe unten). Diese wertvollen Hinweise haben wir in die Entwicklung des Modells integriert. Einrichtungen wie die unsrige bewegen sich in eher traditionell-konservativen Rahmenbedingungen. Umso wichtiger war es, die Bedenken dieser Stimmen ernst zu nehmen und mit betrieblich relevanten Argumenten zu gewinnen. Die partizipative Herangehensweise auf diversen Stufen hat die Akzeptanz des Vorhabens entscheidend gefördert. Ein anderes, ganz praktisches Problem, war das Budget. Durch die erhöhten Stellenprozente in der Geschäftsführung mussten wir die Kosten anderswo niedrig halten. Dabei geholfen hat uns eine strenge Prozessanalyse inkl. Optimierung der oben erwähnten Arbeitsverteilung. Zudem verzichten wir seit jeher auf ein Geschäftsleitungssekretariat und haben unsere Pensen auf 80% reduziert.

Vorbehalte Stiftungsrat
Fragen des Stiftungsrats. Bild: Monica Basler

Wenn eine Person in einem Job- oder Topsharing pensioniert wird oder kündet, stellt sich die Frage, ob und wie das Modell weitergeführt wird. An unserem Workshop hast du mit anderen Teilnehmenden diskutiert, auf was Betriebe in dieser Situation achten müssen.

Monica Basler: Genau, wir hatten einen spannenden Austausch, bei dem sich verschiedene Punkte herauskristallisiert haben. Grundsätzlich erlaubt ein Topsharing in einer solchen Situation viel Flexibilität, denn die verbleibende Person kann je nach Situation die Leitung z.B. vorübergehend allein übernehmen, bis eine neue Lösung gefunden wird. Wenn das Modell weitergeführt werden soll, ist das Matching zwischen der verbleibenden und der potenziell neuen Person entscheidend. Das wird vereinfacht, wenn sich das Topsharing-Paar schon kennt. Wir waren uns am Workshop einig, dass die Stelle auch in diesem Fall ausgeschrieben werden und die neue Person ein Assessment durchlaufen soll. So kann zumindest für die Startphase des neuen Paares eruiert werden, ob sich die Fähigkeiten und Persönlichkeiten gut ergänzen.

Was würdest du anderen Betrieben raten, die ein ähnliches Modell einführen möchten?

Monica Basler: Holt euch zunächst den Auftrag, das Modell zu prüfen, und bindet alle relevanten Akteure frühzeitig ein. Transparente Entscheidungsprozesse und klare Kommunikation sind essenziell. Zudem ist es wichtig, dass die Führungskräfte gut zusammenarbeiten können und bereit sind, ihre Komfortzone zu verlassen. Ein starkes Vertrauen, Humor und die Fähigkeit, Spannungen auszuhalten, sind entscheidend.