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Brigitte Hulliger, 10.05.2023
10.05.2023Brigitte Hulliger , Co-Founderin Break the Box GmbH | Co-Founderin und Vorstandsmitglied Be LikeGrace

«Women in Tech» - so geht's!

Frauen sind in der Tech- und IT-Branche unterrepräsentiert. Doch warum ist das so? Und was lässt sich dagegen unternehmen? In ihrem Rückblick auf den Workshop «Women in Tech – Diversität als Erfolgsfaktor» beantwortet Brigitte Hulliger diese Frage. Sie zeigt weiter auf, wie Die Mobiliar ihren Frauenanteil in der IT stark erhöhen konnte, welche Unternehmenskultur Puzzle ITC pflegt und wie aktives Netzwerken die Diversität in der Tech- und IT-Branche positiv beeinflusst.

Kurz vor Beginn füllte sich die Piazza von Puzzle ITC nach und nach mit Besucher:innen zum Event von Werkplatz Egalité. Und da waren sie also, die «Women in Tech» (und ein paar Männer). Ich beschäftige mich seit vielen Jahren mit dem Thema Diversität in der Tech- und Innovationsbranche. «Wo sind die Frauen?», werde ich häufig gefragt; «Kennst du nicht eine Frau, die einen tollen Job sucht in der IT?» oder «Was können wir tun, um mehr Frauen für die Tech- und Innovationsbranche zu motivieren?» sind nur einige der Fragen, die mir immer wieder gestellt werden. Und nun stehe ich auf der Piazza und sehe sie: Sie sind da. Sie sind motiviert. Sie sind engagiert. Wo also liegt das Problem? Diese Herausforderung sollte uns die nächsten paar Stunden beschäftigen, in unserem Austausch zwischen Netzwerken, KMUs und Grosskonzernen mit integriertem Open Space.

Ice Breaker


Worüber spricht man (frau) eigentlich an einem Networking Event? Netzwerken fällt einigen (zumindest zu Beginn) manchmal etwas schwer. Umso wertvoller waren die Ice Breaker Fragen, die Désirée Aebersold, unsere Moderatorin, zu Beginn verteilt hat. «U was machsch süsch so?» oder «Was bringt dich hierher?» sind einfache Fragen, die ein Gespräch schnell ins Rollen bringen. Und so war innert kürzester Zeit ein reger Austausch im Raum zu erleben.

Speeddating Women In Tech
Teilnehmende beim Speeddating als Ice Breaker. Bild: Jenny Hashim

Ein Netzwerk, ein Grosskonzern und ein KMU im Gespräch


Nach dieser kurzen Aufwärmphase eröffnete Désirée die Gesprächsrunde mit Daniel Binggeli, CTO von Puzzle ITC, Andrea Bircher, Head IT People Management bei der Mobiliar und meiner Wenigkeit, Brigitte Hulliger, Co-Founder von Break the Box GmbH und Be Like Grace. Désirée eröffnete die Runde mit einer Frage aus dem Publikum: «Auf einer Skala von 1 bis 10, wie divers seid ihr in euren Unternehmungen?». Die Frage ging zuerst an mich. Oops… hmm… schonmal auf dem falschen Fuss erwischt, habe ich mir gedacht. Da schreie ich seit Jahren «mehr Diversität», und selber bin ich alleine in meiner Firma. Also quasi gar keine Diversität. Ob mein ehrenamtliches Engagement bei Be Like Grace wohl als Kompensation gilt? Ich versuch’s mal.

Beeindruckt war ich, was die Mobiliar in den letzten paar Jahren erreicht hat, mit ihren wenigen, aber sehr wirksamen Massnahmen zur Förderung von Diversität. Und wie Puzzle durch gezielte und aktive Pflege ihrer «we care»-Kultur ein inklusives Klima mit vielen Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie schaffen.

Und damit waren die Themen für die nächste Stunde auch direkt klar: Was bringt eigentlich Networking für Diversität? Wie kann Diversität in Grosskonzernen gefördert werden? Und was hat die Kultur für einen Einfluss auf die Diversität in einer Unternehmung? Dies sollten die drei Fokusthemen werden.

Networking


«Wie kann Networking etwas zur Förderung von Diversität beitragen?» fragte mich Désirée als Einstieg in das Thema. Phu, diesmal ein «no-brainer» für mich. So habe ich kürzlich gerade ein paar spannende Zahlen zum Networking gefunden:

  1. > 85% aller Jobs werden über das Netzwerk vergeben.
  2. > 70% aller Jobs werden nicht ausgeschrieben.


Alleine diese beiden Zahlen zeigen eindrücklich, warum das Networking wichtig ist, und warum Networking einen aktiven Beitrag zu mehr Diversität beisteuern kann, oder?

85% aller Jobs werden über das Netzwerk vergeben. 70% aller Jobs werden nicht einmal öffentlich ausgeschrieben. Gute Gründe für ein aktives Networking!

Bei Be Like Grace wollen wir etwas zu einer besseren Vernetzung von Frauen in unserer Branche beitragen. Wir führen mehrere Events jährlich durch, porträtieren regelmässig Vorbilder aus unserem Netzwerk und schaffen so Visibilität. Ein wichtiger Aspekt bei uns ist, dass wir keine Mitgliedschaften haben. Das führt zu einer niedrigen Einstiegshürde, zu einer hohen intrinsischen Motivation an den Events (es kommen nur die, die auch wirklich interessiert sind) und zu einer guten Durchmischung mit immer wieder neuen Gesichtern. So gesehen kann Networking einen aktiven Beitrag zu mehr Diversität leisten. Und noch was: Männer werden bei uns nicht ausgeschlossen, wir wollen ja Diversität fördern!

Andrea Bircher erzählte, dass die Mobiliar intern auch ein Frauennetzwerk zur Förderung von mehr Diversität gegründet habt. Und bei Puzzle wird zwar kein spezifisches Frauennetzwerk gepflegt, aber Networking innerhalb und über die Unternehmensgrenzen hinaus spielt auch bei Puzzle eine grosse Rolle und trägt einen wertvollen Beitrag zur Kultur bei.

Mission Be like Grace
Die Mission vom Netzwerk Be Like Grace. Bild: Be Like Grace

Rekrutierung


Der Übergang vom Networking zur Rekrutierung war fliessend. Und hierbei konnte Andrea aus dem Vollen schöpfen. Schliesslich hat die Mobiliar vor ein paar Jahren einen wegweisenden Entscheid punkto Diversität gefällt. Jede dritte eingestellte Person in der IT muss zwingend eine Frau sein. Mit allen Konsequenzen, die das nach sich zieht. Das bedeutete auch, dass sich die Mobiliar viele Gedanken machen musste zur Art ihrer Ausschreibungen, denn sonst war der Bewerber:innen-Pool schlicht zu klein. So haben sie sich Hilfe bei witty.works geholt, um die Stellenausschreibungen so zu formulieren, dass sie keinen unconscious bias enthalten. Weiter schreibt die Mobiliar ihre Stellen häufig in einem breiten Beschäftigungsgrad aus, wie z.B. 40-100%, und ermöglicht Jobsharing. Alles Massnahmen, die zu einer grösseren Diversität und mehr Bewerbungen führen. Und der Erfolg lässt sich messen und sehen: Die Mobiliar hat seit Einführung dieser Massnahmen den Frauenanteil in der IT von 14% auf 19% angehoben. Chapeau!

Bei der Mobiliar muss jede dritte Stelle in der IT durch eine Frau besetzt werden. Dank dieser Massnahme konnte der Frauenanteil von 14% auf 19% angehoben werden.

Klingt doch alles fantastisch, nicht wahr? Warum machen das nicht alle? Daniel brachte meiner Meinung nach berechtigterweise ein, dass dies für IT-Dienstleister manchmal etwas schwierig sei. Denn die Kundinnen und Kunden fordern häufig 80-100% Pensen mit einem Professional oder Senior Level. Das schränkt die Möglichkeiten von Dienstleistern ein, grenzt Quereinsteiger:innen und Teilzeitarbeitende aus. Er forderte die Beschaffungsstellen auf, dies doch bei der Rekrutierung externer Fachkräfte zu berücksichtigen.

Frauenanteil Mobi
Der Erfolg der Mobiliar in Sachen Frauenförderung. Bild: Die Mobiliar

Kultur


Und so kamen wir zu unserem letzten Teil im Podium: Was kann die Unternehmenskultur zur Diversität beitragen? Puzzle legt schon in der Vision Wert auf eine gute Unternehmenskultur: «We care» steht da ganz prominent. Daniel erklärte, wie sich dies im Alltag zeigt.

Mitarbeitende bei Puzzle werden Member genannt, denn sie sind nicht einfach nur Angestellte, sie stehen im Zentrum. Dies alleine trägt kommunikativ viel zu einer guten Kultur bei.

Weiter legt Puzzle sehr viel wert auf Flexibilität. Members können sehr flexibel und kurzfristig ihren Beschäftigungsgrad ändern. Ein grosser Teil der Members arbeitet im Teilzeitmodell. Und punkto Ferien und Abwesenheiten gilt grundsätzlich: Du musst deine Abwesenheiten so viel im Voraus bekannt geben, wie du abwesend sein willst, also eine Woche Ferien muss eine Woche vor Ferienbeginn angekündigt werden. Natürlich alles in Absprache und mit gesundem Menschenverstand, ergänzte Daniel.

Und obwohl wir dem Zeitplan etwas hinterherhinkten, war das Gespräch doch sehr kurzweilig. Ein paar Fragen aus dem Publikum schlossen das Gespräch ab und waren die perfekte Überleitung in den anschliessenden Open Space, wo wir uns aktuellen Themen aus dem Publikum widmeten.

Puzzle Kultur
Die Unternehmenskultur von Puzzle ITC ist «Key». Bild: Désirée Aebersold

Open Space


In Kleingruppen bearbeiteten wir anschliessend Themen rund um «Women in Tech» und stellten sie anschliessend im Plenum vor. Ich bin immer wieder fasziniert, was in so kurzer Zeit für innovative und konstruktive Vorschläge zusammengetragen werden. So sind meine Highlights aus der Diskussion:

  • 1. Es gibt schon unglaublich viele Angebote und Netzwerke, in denen Wissensaustausch stattfindet. Was noch fehlt, ist eine Landkarte, die diese Angebote in einen Kontext bringen. Die Idee, dies direkt mit einer Karte von Swisstopo zu verknüpfen, fand ich mega inspirierend.
  • 2. Die Nachwuchsförderung sollte bestehende Angebote sichtbar machen, erklären, was der Beruf der IT wirklich beinhaltet (es gibt aktuell 51 ICT-Berufsprofile!), und auch die Vorteile von z.B. einer Way-Up-Lehre hervorheben.
  • 3. Vorbilder sind ein Schlüssel zum Erfolg, und sie sollten in Schulen, in der Freizeit und in der Familie verankert werden.
  • 4. Die Attraktivität des IT-Jobs sollte sichtbarer werden; so ist der Job etwa ideal für Homeoffice, die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, Flexible Arbeitszeiten etc.
  • 5. Die Rekrutierung sollte auch Quereinsteiger:innen besser berücksichtigen. Und wenn wir schon dabei sind: Warum nicht den Begriff «Rekrutierung» ersetzen mit Gewinnung, der ist inklusiver.

Apéro & Networking


Und so neigte ein unglaublich lehrreicher Nachmittag dem Ende zu. Und weil wir alle gelernt haben, dass Networking und Sichtbarkeit ein Schlüssel zum Erfolg ist, haben wir das auch direkt umgesetzt und bei den letzten Sonnenstrahlen beim Apéro unsere Erfahrungen ausgetauscht, fleissig LinkedIn Anfragen verschickt und den Abend gemütlich ausklingen lassen.

Ein grosses Dankeschön geht an die Organisatorinnen von Werkplatz Egalité. Formate wie eures leisten einen tollen Beitrag zu mehr Diversität, machen Frauen sichtbarer, geben Mut und Inspiration. Ein grosses Merci auch an Désirée, mit deiner sourveränen und sympathischen Art der Moderation hast du eine inklusive Stimmung verbreitet und alle Teilnehmenden aktiv in das Programm einbeziehen können, eine echte Kunst. In diesem Sinne: Ihr seid Vorbilder, und euer Engagement ist unglaublich wertvoll. Macht weiter so!

Zur Person

Brigitte Hulliger ist Co-Founderin / CEO des Netzwerkes «Be like Grace», IT-Projektbegleiterin & Beraterin mit ihrer Firma «Break the Box» - und natürlich – passionierte Netzwerkerin und Motivatorin.

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