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Serie «Beruflicher Wiedereinstieg: Potenziale erfolgreich nutzen», Teil 2, 18.06.2024
18.06.2024Serie «Beruflicher Wiedereinstieg: Potenziale erfolgreich nutzen», Teil 2 , Dr. Jana Freundt, Dozentin an der Hochschule Luzern Soziale Arbeit.

«Die Schere, die sich bei der Geburt des Kindes öffnet und…?!»

Ein grosser Einschnitt im Berufsleben vieler Frauen in der Schweiz ist die Geburt des ersten Kindes. Sie erleben den Verbleib oder Wiedereinstieg in die Erwerbsarbeit oft als verbunden mit Lohneinbussen, einem niedrigeren Pensum, möglicherweise mit reduzierter Verantwortung im Job oder einem Branchenwechsel. Muss das so sein?

Am 14. Juni war feministischer Streik in der ganzen Schweiz—Forderungen nach Lohngleichheit oder besserer Kinderbetreuung waren auf vielen Plakaten zu lesen. Wie jedes Jahr. Am letzten Werkplatz Egalité Workshop diskutierten wir über ein Thema, dass all diese Aspekte beinhaltet: der Wiedereinstieg in die Erwerbsarbeit nach dem Mutterschutz. Was sagen die Statistiken zur aktuellen Situation in der Schweiz? Die Erwerbsquote ist um 14 Prozentpunkte tiefer bei Frauen als bei Männern mit Kindern. Gleichzeitig geben in einer OECD-Studie 22% der Befragten in der Schweiz «familiäre Betreuungsaufgaben» als Grund an warum sie keiner Erwerbstätigkeit nachgehen. Ein Blick auf die erwerbstätigen Schweizer*innen zeigt ausserdem: Teilzeitarbeit ist zwischen Männern und Frauen generell ungleich verteilt, die grösste Diskrepanz zeigt sich jedoch bei Eltern in einer Partnerschaft/Ehe. Hier arbeiten 11.2% der Männer in Teilzeit versus 77.2% der Frauen.

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Dr. Jana Freundt am Workshop vom 14.05. Bild: Laila Tiemann

Schnell zurück an den Arbeitsplatz

Wie kommt es zu solch starken Unterschieden? Ein offensichtlicher Kandidat ist die Pause in der Erwerbstätigkeit nach der Geburt des Kindes. Es zeigt sich jedoch, dass diese bei einem grossen Teil der Schweizer Frauen nicht besonders lang ausfällt. Eine Erhebung des Büro BASS (2018) zeigt, dass 14 Wochen nach der Geburt knapp eine von fünf Frauen ihre Arbeit wieder aufgenommen hat (18%), ein halbes Jahr nach der Geburt sind 60% wieder erwerbstätig. In vielen anderen Ländern ist diese Zeit wesentlich länger, in Deutschland beispielsweis beträgt bereits die bezahlte Elternzeit 12 Monate (wenn alleine bezogen). Und wie sieht es danach aus, werden die Schweizer Mütter für ihre schnelle Rückkehr an den Arbeitsplatz belohnt?

Die Zahlen der gleichen Studie des Büro BASS sind eher ernüchternd: 62% der Frauen schaffen nach der Geburt des ersten Kindes mit reduziertem Pensum und bei fast einem Drittel dieser Frauen geht dies einher mit einem eingeschränkten Aufgabenbereich bzw. mit eingeschränkter Verantwortung. All dies führt zu massiven Einkommenseinbussen: Eine internationale Studie von Henrik Kleven und Co-Autor*innen vergleicht über viele Länder hinweg die Einkommenseinbussen (genannt „child penalty“) von Frauen und Männern nach der Geburt ihres ersten Kindes. In den deutschsprachigen Ländern ist diese im Vergleich zu den skandinavischen Ländern oder den USA stark ausgeprägt und insbesondere in der Schweiz bleibt diese bis zu 10 Jahre nach der Geburt des Kindes (=Ende des Erhebungszeitraums) fast unverändert bestehen. Das durchschnittliche Einkommen der Männer ändert sich nicht. Diese asymmetrische „child penalty“ ist übrigens höher in der deutschsprachigen Schweiz und höher in Kantonen, in denen 1971 weniger Wähler für die Einführung des Frauenwahrrecht gestimmt haben. Es kann also spekuliert werden, dass soziale Normen und gesellschaftliche Werte zur Rolle der Frau eine nicht unerhebliche Rolle spielen.

Umfrage zu Hürden beim Verbleib bzw. Wiedereinstieg

Um die Schere, die sich bei der Geburt des Kindes öffnet und nie wieder schliesst, besser zu verstehen, führten wir 2022 eine breite Umfrage unter 1000 Frauen mit Kindern in der Schweiz durch (Ecoplan und Freundt 2023). Die Frauen in unserer Stichprobe waren zu 77% erwerbstätig, mit einem durchschnittlichen Pensum von gut 60%. Wie zufrieden sind sie mit dieser Situation? Weniger als die Hälfte der befragten Frauen gibt an, zufrieden mit ihrer Erwerbssituation zu sein. Unter den zum Zeitpunkt der Umfrage nicht erwerbstätigen Frauen würden 82% gerne einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Unter den erwerbstätigen Frauen würden ein Viertel gerne mehr arbeiten, ein Viertel gerne weniger arbeiten und die Hälfte ist zufrieden mit ihrem Pensum. Als Antwort auf die Frage unter welchen Umständen sie mehr arbeiten respektive eine Erwerbsarbeit aufnehmen würden, gaben 30% (47%) «familienfreundliche Arbeitsbedingungen» an. Dieser Faktor war damit einer der meist genannten – weit vor Faktoren wie «günstige externe Kinderbetreuung» oder «keine steuerlichen Nachteile». Persönliche Einstellungen und gesellschaftliche Werte wie die wahrgenommene Wichtigkeit finanzieller Unabhängigkeit und die Einstellung zu externer Kinderbetreuung spielten ebenfalls eine wichtige Rolle für die Erwerbsentscheidungen der befragten Frauen.

«Als Antwort auf die Frage unter welchen Umständen sie mehr arbeiten respektive eine Erwerbsarbeit aufnehmen würden, gaben 30% (47%) «familienfreundliche Arbeits- bedingungen» an. Dieser Faktor war damit einer der meist genannten.»
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N erwerbstätig=778, N nicht erwerbstätig=195. Bild: Umfrage Ecoplan und Freundt 2023.

Inklusive Arbeitskultur - «You can be anything!»

Mattel bewirbt seine Barbiepuppen mit dem Slogan «You can be anything!» Kann dies nicht nur in Barbieland sondern auch im Berufsleben eine Realität für alle sein? Konservative gesellschaftliche Werte und eine traditionelle Arbeitskultur scheinen oft im Weg zu stehen. Es ist leider immer noch der Fall, dass Diversität stark abnimmt, je höher die Kaderstufe in Unternehmen. Einer von vielen Gründen ist die fehlende Möglichkeit, Führungspositionen in Job-Sharing auszuführen bzw. in Teilzeit in eine Führungsposition aufzusteigen. Gleichzeitig wird eine ständige zeitliche Verfügbarkeit im Job nach wie vor überproportional mit einem hohen Lohn belohnt (siehe auch die Arbeiten der Wirtschafts-Nobelpreisträgerin Claudia Goldin hierzu). Und warum hat «Karriere machen» ungefähr im gleichen Alter stattzufinden wie das Aufziehen von kleinen Kindern? Kim Cattrall betonte bereits Anfang der 2000er in Reden, wie sehr sie sich freut - absolut untypisch für Hollywood - in ihren 40ern Karriere gemacht zu haben, indem sie Samantha Jones in Sex and the City verkörpern durfte. Zwanzig Jahre später und weit weg von Hollywood sollte dies doch erst recht möglich sein. Eine inklusive Arbeitskultur unterstützt am Ende nicht nur Frauen mit Kindern, sondern erleichtert die Teilnahme am Arbeitsmarkt von allen Menschen, die verschiedene Arten von Care-Arbeit leisten, neurodivers sind, aus bildungsfernen Elternhäusern kommen oder dem traditionellen Leistungsbild aus welchem Grund auch immer nicht entsprechen wollen oder können.

Zur Person:
Dr. Jana Freundt ist Ökonomin und arbeitet als Dozentin an der Hochschule Luzern Soziale Arbeit. Sie ist Mitautorin der Ecoplan-Studie zum Wiedereinstieg und Verbleib von Frauen mit Kindern in der Erwerbstätigkeit (2023).