Alain Bühler ist Geschäftsleiter der Bühler Küchen AG, einem Küchenbau-Unternehmen mit 17 Mitarbeitenden und Sitz in Bern. Die Bühler Küchen AG trägt das Swiss LGBTI Label – ein Qualitätssiegel für Organisationen, die sich für innerbetriebliche Gleichberechtigung von LGBTI-Personen einsetzen. Geschäftsleiter Alain Bühler erzählt im Interview, warum er das Label eingeführt hat, welche Reaktionen es ausgelöst hat und wie sich auch kleine Unternehmen für das Thema LGBTIQ engagieren können.
Die Abkürzung LGBTIQ stammt aus dem Englischen und steht für:
• Lesbian (= lesbisch)
• Gay (= schwul)
• Bisexual (= bisexuell)
• Trans* (= transgender, transident)
• Intersex (= intergeschlechtlich)
• Queer (Sammelbezeichnung für Menschen, die sich nicht mit der traditionellen Vorstellung von Geschlecht und Sexualität identifizieren)
Bühler Küchen trägt seit einigen Jahren das Swiss LGBTI Label. Warum war es dir wichtig, dich im Unternehmen für LGBTIQ zu engagieren?
Alain Bühler: Da gab es mehrere Gründe. Zunächst einen ganz persönlichen: Ich bin langjähriges Mitglied beim Network Gay Leadership, und wir haben schon länger versucht, LGBTIQ-Themen in der Wirtschaft sichtbarer zu machen. Das Network Gay Leadership entwickelte das Swiss LGBTI Label gemeinsam mit WyberNet, dem Business Netzwerk für lesbische Frauen.
Dann wollte ich herausfinden, ob ein solches Label auch für kleinere Betriebe funktioniert – gerade für einen wie unseren, ohne eigene HR-Abteilung, wo alles über die Geschäftsleitung läuft. Ich dachte: Wenn es gute Initiativen gibt, sollten wir sie auch unterstützen. Und zwar mit einem aktiven, sichtbaren und wirkungsvollen Engagement anstelle von Lippenbekenntnissen.
Gab es intern Diskussionen zur Einführung des Labels?
Alain Bühler: Ja, aber es gab weniger Widerstand, als vielleicht zu erwarten wäre. Ich habe das Label als Geschäftsleiter eingebracht, das hat sicher einiges erleichtert. Wir greifen das Thema seither regelmässig in unseren vierteljährlichen ISO-Sitzungen mit dem gesamten Team auf. Es geht dabei vorwiegend darum, zu informieren. Bei uns arbeiten vor allem Handwerker, von denen viele in ihren privaten Lebenswelten keinen Bezug zu LGBTIQ haben. Ich gebe kleine Inputs, frage zum Beispiel: «Was heisst LGBTIQ?» oder erkläre, warum der Christopher Street Day wichtig ist. So bleibt das Thema präsent – wer darüber informiert ist und sich damit auseinandersetzt, kann entsprechende Berichte in den Medien besser einordnen. Mir ist wichtig, dass man über LGBTIQ spricht. Es geht um eine aktive Auseinandersetzung, nicht nur um Akzeptanz im Sinne von: «Lesben und Schwule sind schon okay.»
«Es geht um eine aktive Auseinandersetzung, nicht nur um Akzeptanz im Sinne von: Lesben und Schwule sind schon okay.»
Welche Wirkung hatte das Label auf Bewerbungen oder im Personalbereich?
Alain Bühler: In unseren Stellenausschreibungen war das Swiss LGBTI Label bisher nicht explizit erwähnt – vielleicht könnten wir das mal ändern. Aber auf unserer Website ist es sichtbar, und wir thematisieren es im Bewerbungsgespräch. Wir haben eine Mitarbeiterin, die selbst zur Community gehört – aber insgesamt ist der direkte Einfluss schwer messbar.
Was hat sich im Betrieb konkret verändert – über das Label hinaus?
Alain Bühler: Wir machen vor allem kleine, aber kontinuierliche Dinge: Informationsanlässe, interne Inputs – oder ich rege die Mitarbeitenden an, den Eurovision Song Contest zu schauen (lacht). Es braucht kein grosses Budget, um sich in seinem Betrieb für das Thema LGBTIQ zu engagieren.
«Es braucht kein grosses Budget, um sich in seinem Betrieb für das Thema LGBTIQ zu engagieren.»
Und extern – wie reagieren Kund*innen oder Verbände darauf, dass ihr das Label trägt?
Alain Bühler: Wir haben das Label an der prominentesten Stelle in unserer Ausstellung platziert. Die meisten Kund*innen reagieren kaum – aber wenn eine Person aus der Community kommt, fällt es ihr oft sofort auf, und dann ergibt sich ein spannendes Gespräch. Das Label ist da, es wird gesehen, und es wird darüber gesprochen – und das ist aus meiner Sicht das Ziel dieser Sache.
Im Netzwerk Küche Schweiz, das ich präsidiere, habe ich beispielsweise gleich zu Beginn gesagt, dass wir das Label tragen. Es schafft Raum, um über Themen wie sexuelle Orientierung zu sprechen. Das war mir wichtig, auch wenn die Reaktionen nicht gross ausfielen.
Gab es einen Moment, der dir besonders geblieben ist?
Alain Bühler: Ein Schlüsselmoment war sicher, als wir das Label erstmals erhielten – neben Grossunternehmen wie Bayer oder UBS (lacht). Das war ein starkes Zeichen. Auch wenn ich selbst nicht aktiv auf Kund*innen zugehe und sage: «Habt ihr unser Label gesehen?» – es bleibt präsent. Aber natürlich frage ich mich manchmal: Was denken die, die nichts sagen? Ziehen sie positive oder negative Schlüsse? Diese Unsicherheit gehört dazu, wenn man sich öffentlich positioniert.
Viele kleine Firmen halten sich beim Thema LGBTIQ eher zurück. Woran liegt das aus deiner Sicht?
Alain Bühler: Ich glaube, es ist oft eine Frage der persönlichen Betroffenheit. Im Handwerksbereich und in Firmen unserer Grösse sind Sensibilisierung und Motivation häufig gering, einfach weil der Bezug fehlt. Wenn niemand in der Geschäftsleitung betroffen ist oder das Thema aktiv verfolgt, passiert wenig.
Wird LGBTIQ in der Wirtschaft gerade wieder zum heiklen Thema?
Alain Bühler: Ich beobachte, dass Regenbogenfahnen nicht mehr «in» sind, auch in der Wirtschaftswelt. Gerade bei grossen Firmen frage ich mich, wie sie künftig mit dem Thema umgehen werden. Eigentlich wäre es in diesen Zeiten wichtig, sich umso mehr für LGBTIQ zu engagieren. Aber bei Vielen ist wohl die Angst da, sich damit selbst zu schaden. Bei unserer Firmengrösse ist das nicht so relevant, aber grosse Unternehmen müssen sich da schon andere Überlegungen machen.
Gleichzeitig habe ich das Gefühl, dass es vor allem Zeitungsmeldungen und die grossen Schlagzeilen sind, die den Eindruck entstehen lassen, dass das Thema LGBTIQ in Unternehmen wieder von der Bildfläche verschwindet. Ich bin beispielsweise auch in einem Netzwerk, das sich mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigt. Laut den Zeitungen ist Nachhaltigkeit «out», aber ich sehe in der Praxis, dass sie für Unternehmen weiterhinein wichtiges Ziel ist. Ich habe daher die Hoffnung, dass sich das Thema LGBTIQ nicht einfach verflüchtigt, zumindest nicht in unseren Breitengraden.