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01.07.2025
01.07.2025Serie «Gleichstellung leben mit LGBTIQ Mitarbeitenden», Teil 2 , Christoph Wortmann, Lead SME Marketing, Swisscom AG

Christoph Wortmann über sein LGBTIQ-Engagement bei Swisscom

Christoph Wortmann ist Leiter KMU-Marketing bei Swisscom und Mitgründer von proud@swisscom, dem internen LGBTIQ Netzwerk. Swisscom trägt das Swiss LGBTI-Label – ein Qualitätssiegel für Organisationen, die sich für innerbetriebliche Gleichberechtigung von LGBTI-Personen einsetzen. Christoph erzählt im Interview, warum er sich neben seinem 100-Prozent-Job bei Swisscom für LGBTIQ-Themen engagiert, was sich in den letzten Jahren dadurch bei Swisscom verändert hat und wo trotz aller Fortschritte die Herausforderungen liegen.

Die Abkürzung LGBTIQ stammt aus dem Englischen und steht für:
•    Lesbian (= lesbisch)
•    Gay (= schwul)
•    Bisexual (= bisexuell)
•    Trans* (= transgender, transident)
•    Intersex (= intergeschlechtlich)
•    Queer (Sammelbezeichnung für Menschen, die sich nicht mit der traditionellen Vorstellung von Geschlecht und Sexualität identifizieren)

Christoph, du bist Leiter KMU-Marketing bei Swisscom und engagierst dich für LGBTIQ-Themen. Wie sieht deine Rolle bei Swisscom aus? 

Christoph Wortmann: Ich arbeite in einem 100-Prozent-Pensum in meiner Funktion bei Swisscom, das Engagement für LGBTIQ-Themen mache ich obendrauf – aus persönlicher Überzeugung. Vor fünf Jahren habe ich mit zwei Kolleg*innen das interne Netzwerk proud@swisscom gegründet, vorher gab es so etwas bei Swisscom nicht. Das Thema Diversity wurde bis dahin vor allem als Gleichstellung von Männern und Frauen interpretiert. Mein Anliegen war es, neue Themen, wie die Inklusion von LGBTIQ Personen, einzubringen. 
 

Was habt ihr mit dem Netzwerk aufgebaut?

Christoph Wortmann: Mit proud@swisscom wollten wir mehr Sichtbarkeit für LGBTIQ schaffen. Wir haben beispielsweise erreicht, dass das Swisscom-Logo immer im Pride-Monat Juni regenbogenfarben ist. Es sollte aber nicht nur bei der Symbolik bleiben. So haben wir Swisscom ein Jahr nach der Gründung unseres Netzwerks für das Swiss LGBTI Label angemeldet. Das Label zu erhalten, war ein Meilenstein für uns. Letztes Jahr haben wir auch die Rezertifizierung geschafft. Diese ist deutlich anspruchsvoller – das zeigt, wer es ernst meint und dranbleibt.

Foto Blogbeitrag Christoph
Christoph Wortmann am Workshop vom 13. Mai 2025. Foto: Darko Colovic

Wenn du jetzt fünf Jahre zurückblickst, wie hat sich Swisscom seither verändert in Bezug auf LGBTIQ? Was wurde konkret umgesetzt und was waren die Reaktionen?

Christoph Wortmann: Swisscom ist definitiv bunter, lauter und greller geworden – vor allem mit Regenbogenlogo, Werbung und Aktionen im Pride-Monat Juni. Das stösst nicht bei allen 17'000 Mitarbeitenden auf Zustimmung. Ich erinnere mich an eine Werbung für ein iPhone, in der sich zwei Männer küssten. Sie hat viele negative Reaktionen ausgelöst – auch bei Mitarbeitenden. Ein Mail, die intern an mich geschickt wurde, war grenzüberschreitend. Das habe ich dann auch dem HR gemeldet. Die betreffende Person musste sich bei mir entschuldigen, Swisscom hat ganz klar gemacht: So etwas tolerieren wir nicht.
Ein weiteres Beispiel ist die Einführung von geschlechtsneutralen Toiletten. Anfangs stiessen wir damit auf Skepsis. Wir wiesen darauf hin, dass diese ein wichtiges Kriterium für den Erhalt des Swiss LGBTI Label sind. Heute ist klar, dass es in allen neuen Räumlichkeiten geschlechtsneutrale Toiletten gibt. In den bestehenden Gebäuden ist es wegen der Infrastruktur schwieriger, aber auch dort arbeiten wir daran.
 

Welche Rolle nimmt proud@swisscom heute ein? Welche Themen stehen für euch im Vordergrund?

Christoph Wortmann: Es geht vor allem darum, die Errungenschaften der letzten Jahre aufrechtzuerhalten, also LGBTIQ weiterhin sichtbar zu machen und die Leute dafür zu sensibilisieren. Wir organisieren zum Beispiel im Frühjahr und Herbst Events zu Themen wie coming out at work oder trans at work. 
Offene Formen von Diskriminierungen sind zum Glück selten, aber Mikroaggressionen gibt es schon. Zum Beispiel hat mir mal eine Kollegin gesagt: «Es ist so toll, einen schwulen Kollegen zu haben». Sie hat das nicht böse gemeint, aber es ist trotzdem eine subtile Form von Diskriminierung. Hier geht es darum, die Leute dafür zu sensibilisieren, dass bestimmte Aussagen oder Fragen diskriminierend sein können. Zum Beispiel sollte man die Frage: «Hast du eine Freundin?» vermeiden, weil ich als schwule Person dann entweder lügen oder mich outen muss. Besser ist es zu fragen: «Bist du in einer Partnerschaft?». Solche Formulierungen machen den Unterschied.
Es geht um Akzeptanz, darum, dass LGBTIQ Personen verstanden und akzeptiert, und nicht nur toleriert werden. Den Begriff Toleranz mag ich nicht, weil er vom lateinischen «tolerare» kommt, was ertragen oder erdulden bedeutet. 
 

«Es geht um Akzeptanz, darum, dass LGBTIQ Personen verstanden und akzeptiert, und nicht nur toleriert werden»

Wie ist die Zusammenarbeit mit dem HR – seid ihr als Netzwerk institutionalisiert?

Christoph Wortmann: Ja, es gibt eine zuständige HR-Person, LGBTIQ ist in den Unternehmenszielen verankert, und wir haben finanzielle Mittel, um regelmässig verschiedene Events zu veranstalten. Aber: Wir engagieren uns freiwillig und werden dafür nicht entlöhnt. Das Engagement muss von den Mitarbeitenden kommen. Ich finde das eigentlich gut, denn wenn Betroffene selbst aktiv sind, ist das authentischer und gibt dem Ganzen mehr Kraft und Sinnstiftung. 
Ein Problem bleibt: Unsere Gruppe ist nicht besonders divers. Das G (gay) ist gut vertreten, L (lesbian) schon weniger – und andere Buchstaben fast gar nicht. Dabei müsste es statistisch mehr LGBTIQ Personen bei der Swisscom geben, aber man kann niemanden zwingen, mitzumachen. Wir können nur Rahmenbedingungen schaffen, die eine Partizipation erleichtern und sicherstellen, dass niemand Nachteile befürchten muss. Es braucht innerhalb des Unternehmens sichtbare Vorbilder, die zeigen: Du kannst offen queer sein und trotzdem als Führungsperson Karriere machen.
Ich komme selbst aus einer 15.000 Einwohner*innen-Stadt in Deutschland – dort gab es keine queeren Vorbilder. Ich kannte nur schwule Promis aus Hollywood. Darum finde ich Sichtbarkeit so wichtig. Es soll erkennbar sein, dass es normal ist und man sich nicht verstecken muss. 
 

«Es braucht innerhalb des Unternehmens sichtbare Vorbilder, die zeigen: Du kannst offen queer sein und trotzdem als Führungsperson Karriere machen»

Hast du den Eindruck, dass LGBTIQ Personen Angst vor Stigmatisierung haben – gerade auch mit Blick auf Führungspositionen?

Christoph Wortmann: Ja, das gibt es. Manche outen sich nicht, aus Sorge um die Karriere. Besonders, wenn Vorgesetzte stark heteronormativ sind. Und da zeigt sich die Schwierigkeit mit der Dezentralität: Swisscom hat verschiedene Regionalstandorte, wobei der Hauptsitz in Worblaufen ist. Die Aktivitäten unseres Netzwerks konzentrieren sich auf die Achse Zürich–Bern. An den Standorten in Lausanne oder im Tessin passiert wenig – dort fehlen regionale Gruppen. Es wäre schön, wenn dort auch ein solche Gruppe bestehen würde, aber dazu braucht es Personen, die bereit sind, sich zu exponieren. 

Spürst du angesichts der globalen politischen Lage Bedenken oder Unsicherheiten im Unternehmen, wenn es um das Thema LGBTIQ geht?

Christoph Wortmann: Wenn wir als Netzwerk nicht so engagiert wären, würde das Thema ganz schnell wieder in der Prioritätenliste nach unten rutschen – das gilt auch für die Gleichstellung von Frau und Mann. Die ICT-Unternehmen sind sehr männlich dominiert. Wenn nur Männer im Management sitzen, müssen wir aktiv nachfragen: Wieso ist das so? 

Was wünscht sich die LGBTIQ Community bei Swisscom heute?

Christoph Wortmann: Mehr Präsenz in den verschiedenen Regionen. Es müsste in allen grösseren Standorten lokale Ansprechpersonen geben, das gibt es momentan nicht. Wir sind stolz auf das, was wir erreicht haben – vor vier Jahren gab es noch gar nichts. Jetzt geht es darum, das zu erhalten und idealerweise auszubauen. Was fehlt, ist Kontinuität über das Jahr hinweg. Aktuell konzentrieren sich viele Aktivitäten auf den Mai und Juni (Pink Apple Festival, Pride). Damit unser Engagement langfristig Wirkung zeigt, braucht es mehr Beteiligung, mehr Sichtbarkeit – und mehr Vielfalt in der Gruppe. Es sollte nicht sein, dass das Engagement von wenigen Einzelpersonen abhängt. Wir bekommen Unterstützung vom HR, aber LGBTIQ sollte noch stärker strategisch verankert sein, denn das steigert die Arbeitgeber*innenattraktivität ungemein. Für mich wäre die Swisscom ohne das Label undenkbar.