Ein transparentes, diskriminierungsfreies und gut gepflegtes Lohnsystem auf der Basis einer analytischen Arbeitsbewertung ist die beste Grundlage zur Sicherung der Lohngleichheit – und das unabhängig von der Grösse Ihres Unternehmens.
Wir wissen es alle: Frauen verdienen für ihre Erwerbsarbeit gesamtwirtschaftlich gesehen nach wie vor deutlich weniger als Männer. Das erklärt sich teilweise damit, dass sie nicht in gleicher Weise im Erwerbsleben integriert sind. Hartnäckig hält sich aber auch ein Lohnunterschied, der sich mit Faktoren wie Funktion, Branche oder Erfahrung nicht sachlich erklären lässt. Er lag im Jahr 2018 bei 8.6% – ein Elftel weniger vom Lohnkuchen, nur weil Frauen Frauen sind?
Wenn Sie diese Zahlen hören, denken Sie dann beruhigt, dass Sie dieses Problem in Ihrem Unternehmen zum Glück nicht haben, weil Lohngleichheit längst eine Selbstverständlichkeit ist? Fragen Sie sich, ob bei Ihnen auch Handlungsbedarf ist – oder wissen Sie gar, dass Probleme bestehen aber nicht, wie sie zu lösen wären?
Ansprüche ausbalancieren
Anforderungen an «faire» Löhne sind unterschiedlich und oft widersprüchlich. Damit die Lohnfrage nicht zum Problem wird, müssen in jedem Fall drei Perspektiven berücksichtigt werden:
Dieses Dreieck muss durch kluge lohnpolitische Entscheide in ein Gleichgewicht gebracht werden – die Vernachlässigung eines Aspekts wird über kurz oder lang zu Schwierigkeiten führen. So bringt die reine Marktorientierung Probleme bezüglich der Respektierung des Verfassungsgrundsatzes «gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit». Ohne Einbezug der externen Perspektive aber, sind Schwierigkeiten bei der Rekrutierung zu erwarten.
Sie finden hier in fünf wesentlichen Schritten meine Empfehlungen, wie Sie Lohngleichheit in Ihrem Unternehmen nachhaltig implementieren können.
1. Schaffen Sie Klarheit
Wo Löhne ausschliesslich individuell ausgehandelt werden, wo sie rein aufgrund von Marktvergleichen oder gewissermassen «im Geheimen» bestimmt werden, ist die Gefahr gross, dass sich Lohndiskriminierungen einnisten. Ein nachvollziehbares Lohnsystem ist der Königsweg zur Lohngleichheit. Es braucht klare Kriterien bezüglich Lohnfestlegung, Lohnspanne und Lohnentwicklung, die in einem Lohnreglement verständlich aufgezeigt werden. So schaffen Sie Transparenz, ohne dass individuelle Löhne kommuniziert werden müssen.
2. Wählen Sie, was zu Ihnen passt und vermeiden Sie Diskriminierungsfallen in der Umsetzung
Ziel ist ein systematisches, nachvollziehbares und geschlechtsneutrales Lohnsystem. Konkret kann dies sehr unterschiedlich aussehen. Was genau sinnvoll ist, hängt von vielen Faktoren ab, nicht zuletzt von der Unternehmenskultur. Treffen Sie die relevanten lohnpolitischen Entscheide bezüglich Lohnbestandteile, Lohnfestlegung und Lohnentwicklung und gestalten Sie die Umsetzung diskriminierungsfrei. Eine separate Betrachtung verschiedener Lohnbestandteile hilft dabei.
Meistens ist der Funktionslohn nach wie vor der wichtigste Lohnbestandteil. Mit einer qualitativ guten analytischen Arbeitsbewertung können Anforderungen und Belastungen im Quervergleich der Funktionen bestimmt und darauf aufbauend der Funktionslohn definiert werden. Wollen Sie wie viele andere Unternehmen die individuelle Erfahrung honorieren (Personenanteil)? Tun Sie dies diskriminierungsfrei, indem Sie ausserberufliche Erfahrung angemessen berücksichtigen, denn im Beruf nutzbare Schlüsselkompetenzen können auch in der Familienarbeit, der Politik oder im Verein erworben werden.
Ein Tipp: eine Annäherung durch das Lebensalter ist ein einfacher Weg mit gutem Ergebnis, um die nutzbare Erfahrung diskriminierungsfrei anzuerkennen.
Es kann Situationen geben – Stichwort Fachkräftemangel –, in welchen ein vergleichsweise überhöhter Grundlohn bezahlt werden muss (Differenzanteil). Solche Marktanteile gefährden die interne Lohngerechtigkeit und sind möglichst zu vermeiden (z.B. durch attraktive Arbeitsbedingungen), in jedem Fall aber regelmässig zu prüfen. Sehen Sie Mechanismen vor, um die Unterschiede auszugleichen – etwa durch das «Einfrieren» von Löhnen. Passen Leistungsanteile zu Ihrer Unternehmenskultur? In dem Fall sorgen Sie dafür, dass sie diskriminierungsfrei bestimmt werden.
3. Seien Sie sorgfältig bei der Festlegung der Einstiegslöhne
Der Einstiegslohn ist entscheidend: schleicht sich hier eine Diskriminierung ein, kann sich diese über eine ganze Laufbahn weiterziehen. Hilfreich sind Lohnbänder mit klaren Vorgaben. Lassen Sie sich von guten Praktiken inspirieren, wie sie am Workshop von Werkplatz Égalité zur Sprache kamen:
«Wir überprüfen alle Löhne im Quervergleich ein Jahr nach dem Einstieg in unser Unternehmen.»
«Bei uns gibt es keine Löhne unter dem Lohnband, auch wenn Kandidatinnen tiefere Lohnvorstellungen haben.»
«Die Bandbreite des möglichen Einstiegslohns wird im internen Quervergleich durch HR und Linie gemeinsam definiert.»
4. Sichern Sie eine gleichstellungsgerechte Lohnentwicklung
Wie immer Sie die Lohnentwicklung vorsehen, ob individuell, kollektiv oder automatisch – alle Szenarien können mit den richtigen Massnahmen gleichstellungsgerecht umgesetzt werden. Ein gutes Monitoring auf der Basis von Kennzahlen etwa, verbunden mit der Sensibilisierung von Führungskräften in Verbindung mit expliziten Vorgaben (etwa Berücksichtigung von Teilzeitarbeitenden) sind bei individuellen Lohnentwicklungen besonders wichtig. Und generell gilt auch hier: Gemeinsame Lohnentscheide von HR und Linie, eine Überprüfung im Quervergleich und die Orientierung an den Vorgaben des Lohnsystems – beispielsweise an Ziellöhnen – sind Möglichkeiten von guter Praxis.
5. Pflegen Sie Ihr Lohnsystem
Eine regelmässige Überprüfung der Funktionsbewertungen, also der Anforderungen und Belastungen von sich wandelnden Funktionen, sichert die Grundlage für korrekte Funktionslöhne. Die Lohnpraxis untersuchen Sie periodisch bezüglich der Einhaltung der Lohngleichheit von Frau und Mann auf der Ebene des Gesamtunternehmens – mit dem Selbsttest-Instrument des Bundes Logib ist dies mit wenig Aufwand möglich. Mit vertiefenden Analysen – bei denen das auf Arbeitsbewertung beruhende Modul 2 von Logib auch grösseren Unternehmen gute Dienste leisten kann – gehen Sie einen Schritt weiter und stellen sicher, dass sich auch im Einzelfall keine Diskriminierungen einschleichen.
Zur Person:
Marianne Schär Moser ist Arbeitspsychologin mit Arbeitsschwerpunkt Gleichstellung und eigenem Büro in Bern. Die Förderung der Lohngleichheit durch Lohnsysteme ist ihr seit Jahren ein Herzensanliegen. Sie hat beim Werkplatz Égalité «en route» zu diesem Thema im Mai 2022 einen Fachinput gemacht.
Tipps zur Lektüre aus der Dokumentation des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann EBG: