Was macht Arbeitgebendenattraktivität heute aus für Belegschaften, die immer diverser werden? Gibt es die eine gute Lösung, die für alle stimmt? Und wie können KMU junge Frauen in Handwerksberufen ansprechen und dann auch halten? Kurz: Wie sieht Arbeitgebendenattraktivität made by Berner KMU aus? Am letzten Anlass von Werkplatz Égalité zu «Motivierte Fachkräfte gewinnen & halten: Chancen von Vereinbarkeit und Vielfalt in KMU» vom 17. Oktober haben wir diese Fragen diskutiert und Antworten gefunden. Weiterlesen lohnt sich…
Die Förderung von Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben ist auch für KMU ein wichtiger Erfolgsfaktor, um für Fachkräfte attraktiv zu sein und zu bleiben. Da sind sich die Teilnehmenden am heutigen Anlass einig. Worin Kleinunternehmen klar in der Umsetzung im Vorteil sind? Sie können pragmatisch und unkompliziert mal etwas ausprobieren. Unsere Gastbetriebe zeigen, dass dank offener Gesprächskultur und einer offenen Tür in alle Richtungen ohne grossen Aufwand schnell viel verändert und dann sogar etabliert werden kann.
Die Schreinerei LUAG Luginbühl AG aus Krattigen beschäftigt 20 Angestellte. Mit einem beeindruckenden Zuwachs von null auf vier Schreinerinnen innert sechs Jahren geht das KMU mit gutem Beispiel voran. Anita Luginbühl, Mitinhaberin des Familienbetriebs und Vizepräsidentin des VSSM (Verband Schweizer Schreiner und Möbelfabrikanten) meint dazu: «Wenn wir Frauen im Betrieb wollen, müssen wie sie holen, selbst ausbilden und gute Rahmenbedingungen schaffen, damit wir sie dann auch weiterbeschäftigten können». Für Anita heisst das auch, rollend und gemeinsam mit den Betroffenen und der Belegschaft Lösungen zu finden. Im Moment, so sagt die Geschäftsfrau geradeheraus, habe die LUAG noch nicht immer die optimalen Lösungen gefunden. Sie ist aber überzeugt, dass sie diese finden werden. Die Energie und Überzeugung, die sie dabei versprüht, lassen im Raum keinen Zweifel aufkommen, dass das der LUAG auch gelingen wird.
«Nein», meint sie, «es war nicht schwierig die jungen Frauen für die Schreinerlehre zu gewinnen. Wenn man mal beginnt Frauen in den Beruf zu nehmen, gibt das auch eine Referenz nach aussen. Aktivitäten wie der Tag der offenen Tür helfen zusätzlich, dass die Firma im Dorf oder der Umgebung als attraktive Arbeitgeberin für Frauen wahrgenommen wird». Anita Luginbühl ist überzeugt, dass es mehr Gespräche miteinander braucht. «Und», bringt es Anita auf den Punkt, «es ist gut und wichtig, dass die jüngere Generation, die heute zu Recht mehr Ansprüche auf Teilzeit oder flexiblere Arbeitszeiten stellt, mit konkreten Ideen und Lösungsvorschlägen kommt, wie das betrieblich umgesetzt werden könnte. Im Dialog finden sich dann fast immer Lösungen, die für beide Seiten stimmen».
Die Website von Simu dr Maler ziert ein witziger Comic, der für die 4-Tage Woche wirbt. Und eben wegen dieser 4-Tage Woche ist Simon Joerin, der Inhaber des Malerei- und Gipsereiunternehmens mit 19 Angestellten in Wabern bei Bern, auch als Gastbetrieb eingeladen worden. Simon Joerin begründete sein Vorhaben so: «Wir haben die 4-Tage Woche für 3 Monate eingeführt und erprobt. Wir wollten damit unseren guten Arbeitskräften ein attraktiver Arbeitgeber sein. Ich wollte den Mitarbeitenden etwas zurückgeben, weil sie im Betrieb eben auch 100%, d.h. alles geben». Das Modell wurde zusammen entwickelt: Gemeinsam teilten sie die Vollzeitmitarbeitenden in zwei Gruppen ein. Ein Team hatte am Mittwoch, das andere am Freitag frei. Aus der 40-Stundenwoche wurde eine aus 38 Stunden, einfach verteilt auf 4 statt auf 5 Tage. «Es hat dann nicht das gebracht, was alle hofften», so die Bilanz vom Geschäftsinhaber. «Sie sagten, dass der Teamgeist darunter leidet. Im alten Modell blieb man noch zusammen am Feierabend, ging mal was trinken. In der 4- Tage Woche war das nicht mehr der Fall. Die Teilzeitarbeitenden – zwei Malerinnen teilen sich z.B. eine 100%-Stelle – und die Lernenden, die nicht mitmachen konnten, gingen früher nach Hause. Es hat die Belegschaft ‘chli zerrupft’. Sie sahen sich viel weniger und das fanden sie alle überhaupt nicht gut».
Enttäuscht ist man bei Simu dr Maler über das Ergebnis nicht. Simon meint dazu: «Eigentlich hat mich das auch gefreut, weil man sah, dass das Team ein wirkliches Team ist». Simu dr Maler gibt aber damit nicht auf. Das Unternehmen will dran- und attraktiv bleiben für seine Mitarbeitenden, das in der Malerei/Gipserei aus mehr Frauen als Männer besteht. «Wir werden sicher wieder ein Gespräch haben mit dem Team und da wird besprochen, wie es weitergeht. Ein paar Ideen habe ich schon». Mehr lässt sich dem Simu am Anlass nicht entlocken.
Werkplatz Égalité schaut einmal mehr auf einen lebendigen Anlass zurück, wo Ideen angeregt diskutiert, ausgetauscht und weiterentwickelt wurden. Kostprobe gefällig? Et voilà:
Eine Vertiefung mit weiteren Ideen für das eigene Unternehmen ermöglicht das Modell der Fachstelle UND, welches sich speziell für KMU eignet. Wir haben dazu einen Einblick am Workshop erhalten. Das ausführliche Modell ist auf der Webseite der Fachstelle downloadbar.
Schlusspunkt.
Kein KMU ist gleich wie das andere. Was aber alle beteiligten KMU am Anlass unterschreiben würden: Miteinander ins Gespräch gehen, ausprobieren, lernen, vielleicht auch mal auf die Nase fallen, aufstehen und weiterprobieren, das sind Stärken der KMU, die es auch in Sachen Vereinbarkeit zu nutzen gilt.
Weitere Informationen rund ums Thema KMU:
Zur Person:
Désirée Aebersold ist Soziologin, selbständige Beraterin für Unternehmen, Workshopleiterin und Coachin für Privatpersonen mit eigener Praxis in Bern. Arbeitsschwerpunkte sind Gleichstellung & Inclusion, Life-Domain-Balance und Stressprävention.